...denn vom 19. bis zum 28. September waren wir wieder unterwegs...

von naumburg nach creuzburg

Wie schon zu Ostern starteten wir unsere diesmalige Reise mit einer gemeinsamen Andacht in der Klosterkirche in Neuruppin, bevor es zum Bahnhof ging. Mit dem Zug fuhren wir bis nach Naumburg, wo wir die erste Nacht verbrachten.

Danach ging es richtig los. 22 Kilometer klangen für den Auftakt beruhigend, jedoch erschwerte uns Flachländern die mittelgebirgige Region vorerst das Pilgern, aber wir gewöhnten uns mit zunehmender Zeit langsam daran. Nach ungefähr 3 Kilometern begegneten wir zwei weiteren Pilgern, zwei Männer mittleren Alters, die, wie sich herausstellte, auch auf der Via Regia, dem königlichen Weg, unterwegs waren. Jedoch nahmen sie eine andere Route als wir, unser Lehrer kannte nämlich wieder eine "Abkürzung" durch einen Wald. In Himmelreich, ein passender Ortsname für Pilger, die auch spirituelle Erfahrung suchen, fing es dann an zu regnen. Und es regnete weiter, und weiter, und weiter.... Unsere Klamotten waren nun fast durchnässt. In Bad Sulza riefen wir ein Taxi, für unsere Gitarre, die die Pilgertour sonst nicht überlebt hätte. Die Chance, mit dem Taxi den restlichen Weg zu fahren, ließ sich unsere Lehrerin nicht entgehen. Es war auch die richtige Entscheidung von ihr, denn der heftigste Regenschauer des Tages stand noch bevor. Wir liefen weiter. Als wir quer über Weinfelder liefen, kürzten wir diesmal wirklich ab. Es fing an zu regnen - mal wieder. Diesmal liefen wir durch Sonnendorf, was natürlich ein sehr makaberer Scherz war. Die letzten 6 Kilometer auf der Bundesstraße verbrachten wir damit, Autofahrern zuzuwinken, die uns entweder zurückwinkten oder uns bemitleidenswert ansahen. Als wir in Eckartsberga, unserem Etappenziel, ankamen, waren wir bis auf die Haut durchnässt. Selbst die Regenjacken halfen da nichts. Zu unserem Glück hatte Frau Eichler, unsere Lehrerin, schon für das Abendessen eingekauft und wir mussten es nicht übernehmen. Unsere Unterkunft war nur zum Teil beheizt - diesen Raum bekamen die Mädchen. Sie mussten ihn sich mit vielen Wäscheständern teilen, auf denen unsere Klamotten hingen. Bei einigen hatte selbst der Regenbezug des Rucksackes nicht seinen Zweck erfüllt und war durchlässig geworden. Manche hatten nicht mal mehr trockene Sachen und Schlafsäcke. Voller Demut gaben wir uns unserer Situation hin.

Zu unser aller Freude regnete es am nächsten morgen nicht, aber Niederschläge waren vorhergesagt. Deshalb verpackten wir unsere letzten trockenen Sachen in Müllbeutel, damit sie nicht auch noch nass wurden, und zogen uns widerwillig die nassen Anziehsachen wieder an. Überraschenderweise trafen wir in dem Gemeindehaus, in dem wir nächtigten, auf unsere Pilgerfreunde vom Vortag. Sie waren trocken angekommen, da sie den kürzesten Weg liefen. An diesem Tag stand nur eine kurze Etappe an: 10 Kilometer bis nach Rudersdorf. Ebenso kurz wird meine Zusammenfassung der Ereignisse: Gewitter, Hagelschauer, die später zu Regen wurde, Kälte (gefühlte 4 Grad Celsius), Sturmböen und endlich kurz vor Rudersdorf warme Sonnenstrahlen. So wirklich warm war sie zwar nicht, jedoch fühlte es sich für uns wie der Sommer an. Dem Horrortag folgte Balsam für die Seele.

 Als nächstes kam ein Tag, der kontrastreicher zum vorherigen nicht hätte sein können. Es war die ganze Zeit warm und die Sonne schien. Die Distanz für den Weg nach Erfurt hörte sich heftig an - 35 Kilometer. Doch die Aussicht auf einen dortigen Ruhetag gab uns die nötige Motivation. Wir liefen und liefen. Nach ungefähr 20 Kilometern waren sogar die Schuhe fast wieder trocken und wir nutzten die Wärme, um die nassen Sachen alle an der Luft trocknen zu lassen. Bei 25 Kilometern wussten wir nicht mehr genau, wo es weiter entlang ging, und selbst die Einheimischen wussten nicht, was der offizielle Pilgerweg ist. So hatten wir an einer Kreuzung die Qual der Wahl und entschieden uns für einen Weg. Es war offensichtlich nicht der richtige, denn wir pilgerten durch Orte, die nicht auf der vorhergesagten Route lagen. Gegen 17:00 Uhr riefen wir ein Taxi für die jüngsten unter uns und für Frau Eichler. Auf einem Berg sahen wir kurz vorher Erfurt, doch wussten, dass es noch mindestens 10 Kilometer sein werden, die vor uns liegen. Es musste für den Abend eingekauft und für das Frühstück vorbestellt werden. Der Blick der Verkäufer ist immer panisch und lustig für uns, wenn wir 120 Brötchen für den nächsten morgen bestellen. Da wir ziemlich spät ankommen werden würden, schickten wir die "Taxifahrer" vor. Nach einem Marathon, sprich 42 Kilometern, kamen wir schließlich gegen 20:00 in unserer Unterkunft an. Erschöpft, aber trocken.

 Vom Ruhetag gibt es kaum etwas zu berichten. Wir haben uns Erfurt angeschaut, uns ausgeruht und ein weiteres Mal unsere Pilgerfreunde getroffen. Es sollte das letzte Mal sein. Sie hatten mit Erfurt ihr Ziel erreicht und wollten mit dem Zug zurückfahren an die tschechische Grenze. Den Tag vertrieben wir mit dem in Erfurt gekauftem Spiel Werwolf, welches uns noch lange begleiten wird und in jeder kurzen Erholungspause ausgepackt und genutzt wurde. Außerdem verließ uns leider ein Pilger krankheitsbedingt - bei dem Wetter eigentlich kein Wunder.

Unser nächstes Ziel hieß Gotha. 25 Kilometer standen auf dem Plan. Nahezu ereignislos verlief der Tag. Das Wetter war weiterhin beständig bei angenehmen 15°C und leichter Bewölkung. Ohne irgendwelche Umwege gelangten wir nach Plan dorthin. Erst in Gotha wurde es schwierig: Wir wussten nicht genau, wo sich unsere Herberge befindet und auch die Bewohner Gothas wussten kaum Bescheid, wo wir lang laufen mussten, sondern nur einige Buslinien. Schließlich fanden wir nach einigem hin und her die Kirche und trafen alle mehr oder weniger fit dort ein. Seit vielen Tagen hatten wir dort auch endlich wieder eine Dusche zur Verfügung.

Mechterstädt hieß unser nächstes Zwischenziel. Ein kurzer Weg von nur 14 Kilometern stand an. Auch diesmal verlief alles nach Plan. Den furiosen, ereignisreichen ersten Tagen folgte nach dem Ruhetag das Pendant: ruhige, ereignisarme Tage. Wir wussten, dass in Mechterstädt eine komplett neue Erfahrung auf uns wartete. Statt in einem Gemeindehaus oder einer Kirche, fungierte der Esssaal eines Behindertenheims für uns als Schlafmöglichkeit. Wir mussten sehr leise sein, was für Jugendliche manchmal schwer einzuhalten ist. Aber es gelang uns. Das nächste Problem für uns stellte die Vorbestellung der Brötchen für den nächsten morgen dar. Es gibt in der Kleinstadt nur einen kleinen Konsum, der 50 Brötchen für alle Bewohner der Stadt täglich arrangieren konnte. Schließlich trafen wir am Abend auf ein Bäckerauto, bei dem wir bestellen konnten. Wir mussten jedoch im Voraus bezahlen, da der Bäcker unsere Bestellung nicht glauben konnte und an einen Scherz dachte.

Zum Frühstück des nächsten Tages, des letzten Pilgertages, hatten wir unser Essen. Alles klappte astrein. Wir brachen auf. Diesmal stand wieder ein etwas längerer Weg an: 27 Kilometer. Statt nach Eisenach, wie ursprünglich geplant, liefen wir nach Creuzburg. Es war eine schöne Strecke und ein lohnender Abschluss der Tour. Wie schon am ersten Tag, winkten wir vorbeifahrenden Autos zu, nur diesmal bei besserem Wetter. Entsprechend besser war die Stimmung der Fahrer. Viele winkten zurück und einige hupten uns fröhlich zu. Das machte Spaß und gab zusätzliche Motivation. Bei schönem Wetter kamen wir schließlich stolz in Creuzburg an, wo zur Feier des Tages gegrillt wurde. Einen lohnenden Abschluss fanden wir in der traditionellen "Lichternacht" am Ende. Eine Nacht mit Kerzenschein, bei der wir, wenn möglich, die gesamte Nacht gemeinsam sind und uns halbstündlich zu einer Andacht in der Kirche treffen. Je später es wurde, desto mehr wurde gesungen als gesprochen.
Am nächsten morgen brachen wir, manche munter, manche übermüdet, mit dem Linienbus zum Bahnhof auf, von wo aus wir den Zug nahmen. Eine Stunde mussten wir kurz vor Magdeburg auf den Gleisen stehen, weil irgendetwas mit einem vorherigen Zug nicht in Ordnung war. So verpassten wir unseren Anschlusszug und mussten umplanen. Zum Glück hatten wir in der ungewollten Pause genügend Zeit und fanden eine Möglichkeit der Weiterfahrt. Gegen 18:00 waren wir fröhlich wieder in Neuruppin.