am 11. September geht's los...

ULTREIA !!

11. 09 Hinflug von Berlin über Madrid nach Bilbao. Dann Busfahrt nach Leon mit Zwischenhalt in Burgos.

 

Leon - Astorga (28 km)

 

Nachdem es die Nacht davor schon spät wegen des Essens geworden war, ging es am heute Morgen vergleichsweise früh raus. In den luxuriösen Zimmern hatte jeder gut geschlafen. Nach einem ausgiebigen, süßem spanischen Frühstück und Abschiedsbildern von den sehr herzlichen Schwestern ging es zum Bus. Nach einer kurzen Busfahrt, um den Pilgerweg zu erreichen, liefen wir los. Über eine Römerbrücke, über Sandwege und an Straßen lang. Die Landschaft hatte niemanden groß überrascht. Irgendwie hatte jeder dieses Camino-Weg-Bild vor den Augen, auch das stimmte. Manch einer hatte jedoch eine andere Temperatur erwartet, Bei 23 Grad war die knalle Sonne doch recht warm. Kein Schatten, kein Regen, alles staubig. Unsere Schuhe haben jetzt eine neue Farbe. Die Strecke fing schon recht hügelig an, wurde aber immer grüner. Als die erste Puste raus war, trafen wir an die nächste Wegmarkierung. Hier in Spanien wird der Camino mit gelben Pfeilen, Muscheln und Steinen gekennzeichnet. Doch dieser Stein war besonders. Knall gelb, aber mit schwarzer Schrift stand da: „just smile“. Neue Energie kam auf. Ab jetzt wurde aufmerksam auf die Umgebung geachtet. Die Sprüche auf Steinen, Kreuzen, Bänken…bringen einen über den Weg. Hinweg über diese orangene Landschaft, die irgendwie wunderbare, versteckte Schönheit in sich birgt. Als wir über den nächsten Hügel rüber kamen, erlebten wir eine Überraschung. Ein Stand und ein paar Ruinen am Wegesrand. Eigentlich nichts Besonderes. Doch wenn man ankommt: Eine Raststätte für Pilger. Melone, Äpfel, Feigen, süße Säfte alles für umsonst. So viel Herzlichkeit und Menschlichkeit. Kein Wunder, dass sie von den Pilgern geliebt werden. Nach einer ausgeblichen Pause ging es weiter, nicht mehr viel Kilometer bis Astorga. Mit anderen Pilgern, denen wir begegnen, mit dem gleichen Ziel, dem gleichen Weg. Einmal durch die noch ausgestorbene Altstadt zum Quartier. Unser erstes, richtiges Pilgerbett. Einfach- aber voller Lachen und Menschen, die aus demselben Grund hier sind wie wir. Macht Euch keine Sorgen liebe Eltern, Freunde, Verwandte und Bekannte. Uns geht es gut. Und denkt dran: Just smile!

 

Astorga - Rabanal del Camino (20 km)

 

Von Getrampel geweckt, mit einem Gefühl als ob der Himmel uns auf den Kopf stürzt, sind wir heute Morgen aufgewacht. Die anderen Pilger sind teils schon gegen 4/5 Uhr los. Bei uns gab es erst gegen 8 Uhr Frühstück. Aber wir mussten heute ja auch nur ca. 20km laufen.
Bei bewölkten 17 Grad war es angenehm, schon fast kalt zu laufen. Da die Kathedrale neben unserer Herberge geschlossen war, haben wir die Andacht auf die nächste Kapelle verschoben. Ein paar Lieder gesungen, Gebete gesprochen und die Ruhe in unser Herz dringen lassen. Leider haben wir vergessen, um gutes Wetter zu beten, wie sich später herausstellte. Doch die anderen Pilger und die Frau, die die Kapelle betreute, waren begeistert. Die kleine Kapelle werde viel zu wenig genutzt, erzählte sie uns auf Spanisch.
Viele freuten sich: junge Leute, die auf dem Camino pilgern und so voller Energie sind. Unsere Gute Laune steckte wahrlich an. Dann ging es leicht bergig weiter. Wir trafen viele, die mit uns ein Stück gingen. Die Freundlichkeit ist einfach überwältigend. Man wird begrüßt, man unterhält sich und man schweigt miteinander.
Erstaunlich viele Deutsche und Spanier sind uns begegnet, aber auch viele andere. Und dann kam der Regen. Erst langsam und leise, dann kräftiger.  Doch es ist kein harter Regen, wie bei euch zuhause. Er ist weich und sanft. Mit dem Regen wurde das Land grüner. Irgendwann verzichteten ein paar von uns auf die Kapuze. Der Regen war schön und die Motivation, die nächste Herberge zu erreichen größer. Je länger wir auf dem Jakobsweg unterwegs sind, umso mehr fragt man sich, ob man das auch könnte. Sein Leben hinzugeben, um Wandernden einen Unterschlupf zu bieten. Selber einfach zu leben. Auch wenn man kein Englisch kann, so wie der Wirt heute, einfach für andere da zu sein. Mit gebrochenem Spanisch und Zeichensprache haben wir uns verständigt. Wie sagt man auf Spanisch, dass jemand krank ist? ‚Tiene Hatschi!‘ Unsere Sachen sind schon fast wieder trocken und in uns brennt das Feuer für diesen Weg. Das kann auch kein Regen löschen. Buen Camino Y hasta manana

 

Rabanal - Ponferrada (33 km)

 

Mit einem wunderschönen Sonnenaufgang haben wir heute Morgen erst das Essen, dann die Teller gefrühstückt. Auch als wir in der Kirche Andacht gefeiert haben, schimmerte das Licht noch herrlich durch die Fenster. Bei gefühlten 10 Grad sind wir dann losgelaufen. Eigentlich waren es ca. 15 Grad, doch es war einfach arschkalt an den Händen. Die Strecke fing gleich recht hügelig an und wurde im Laufe des Tages immer bergiger. Wir haben fast 1000 Höhenmeter bewältigt. Die Gipfel rauf und runter.  Zwischen urwaldartigen, steilen Wegen lang, wo Herr Panzer mit seinem neuen Motivationshut aussah wie ein Urwaldforscher. Und zwar in Kälte, Regen und steinigen Wegen. Auf einem Gipfel stand ein großes Kreuz auf einem Berg von Steinen. Die Steine wurden von Pilgern dagelassen. Als Symbol der abgeworfenen Laster und Sünden. Viele schreiben auch die Namen darauf, für die sie diese Strecke laufen oder/und an die sie denken. Auch wir haben einen EVI-Stein dagelassen. In Gedanken an alle, die nicht mitkommen konnten. Nach ein paar Liedern mit begeistertem Publikum, ging es mit abgefrorenen Händen weiter. Die Berge rauf und runter. Mit sich leicht ändernden Landschaften. Nachdem wir dann ganz oben waren, durften wir alles wieder runter…und kilometerlang einen (oder mehrere) steile Berge runter laufen. Ich echt nicht lustig. Das geht irre auf die Knie. Da hatten wir uns eine Kaffeepause echt verdient. Nachdem wir ewig auf Asphalt laufen mussten und endlich in Ponferrada angekommen sind, haben wir eine gefühlte Ewigkeit nach unserer Herberge gesucht. Nebenbei haben wir die Burg und die Kirche bewundert. Unsere Unterkunft sieht aus wie ein 5-Sterne Hotel. Mit den ersten Blasen an den Füßen haben wir die längste Tour (33km) mit den höchsten Bergen (1800m) hinter uns. Morgen haben wir ‚nur‘ 20km vor uns, allerdings mit viel Regen. Also schlafen wir in unseren tollen Betten ganz schnell ein, um morgen früh raus zu kommen.

 

Ponferrada - Villafranca (22 km)

 

Singing in the rain

Da es heute ab Mittag regnen sollte, hatten wir beschlossen schon um 6 Uhr zu frühstücken. Leider nieselte es zu der Zeit auch schon. Unser Atem stand wolkenweis in der Luft, so kalt war es. Trotzdem hatte jeder die Motivation so schnell wie möglich anzukommen. Der morgige Ruhetag lockte uns. In einer Kirche am Wegesrand holten wir die Morgenandacht nach. Der miese Niesel hielt die ganze Zeit über an. Auf dem Asphalt war dies aber kein großes Problem. Die bergige Landschaft hatten wir erstmal hinter uns gelassen. Allerdings spürten alle die Knochen vom Vortag. Langsam wurde es dann wieder hügeliger. Doch die Asphaltstraße hielt an. Als es gegen Mittag richtig anfing zu plattern, beschlossen wir eine Pause zu machen. In einem Einkaufszentrum fingen wir an zu tanzen. Einfach so. Weil es Spaß macht und es draußen regnet.  Die Leute machten mit.  Als der Regen dann nachließ, ging es weiter. Doch anstatt die Sonne zu sehen, wurde der Regen stärker. Einzige Option: weiter machen und das nutzen, was einem gegeben ist. Was hat man auf dem Camino mit? Nur sich selbst und unsere Stimmen. Also fingen wir an zu singen. Und während unsere Jacken durchweichen schmettern wir Lieder wie „sinnig in the rain“ (bloß ohne Text) oder „kanibalen“. An den Weg unter den Füßen und den Regen über den Köpfen denken wir lange nicht mehr. Der Jakobsweg wechselt zwischen Matsch und Asphalt. Manchmal regnet es, manchmal nicht. Doch das ist uns egal. Wir sind angekommen, keiner kann uns mehr aufhalten. Die Freundlichkeit der Menschen treibt uns weiter, gibt uns Kraft für den nächsten Schritt. Unsere Herberge ist kalt, ein altes Gebäude. Doch das ist egal. Es ist trocken, gibt essen und wir können uns ausruhen. Was auch kommt, wir halten zusammen.

 

16.09. Ruhetag

 

Villafranca - La Laguna (30 km)

 

Steil nach oben

Mit Bedauern haben wir heute unseren Ruhetag hinter uns gelassen. Der nächste ist am Montag. Die Strecke heute war ca. 30km lang, weil wir uns entschieden hatten am Berg langzulaufen anstatt an der Autobahn. Der Weg war zwar länger, aber sicherer und landschaftlich schöner. Nach ein paar Kilometern steil bergauf (30 % so in etwa) sahen wie erstmal nur abgefackelte Bäume und Sträucher, aufgrund eines Waldbrandes. Mit interessanten Gesprächen und Spielen halfen wir uns über die Zeit. Steil am Berghang verlief der Camino. Aber abgerutscht ist keiner. Kurze Zeit verließen wir den Weg trotz guter Ausschilderung und liefen Straße. Das Tempo, worüber in den letzten Tagen heftig diskutiert wurde, war heute langsamer und entspannter. Trotzdem läuft sich der Jakobsweg unter unseren Füßen weg. Die Meter unter uns schwinden. Und die atemberaubende Aussicht ließ uns in grenzenlosem Staunen zurück. Wir bereuten es keinen Augenblick den längeren Weg gewählt zu haben. Doch die Strecke war steil, hoch und runter. Irgendwann mussten wir dann doch eine Autobahnauffahrt queren. Das hat uns gereicht an Straße. An einer kleinen Kirche am Wegesrand haben wir dann halt gemacht, ein paar Lieder gesungen und den Pilger Stempel geholt. Es ging weiter. Mit noch steileren Anstiegen als heute Morgen, rutschig vom Nieselregen. Der Sand matschig, aufgelöst und man musste aufpassen, dass man nicht ausrutscht. Die Natur ist sehr individuell hier. Man fühlt sich teils wie im botanischen Garten. Lianen hingen von Bäumen, Farn und Moos auf dem Boden. Als es am letzten Dorf dann anfing zu regnen und wir 200 Höhenmeter auf 2km überwinden mussten, blieb uns nichts weiter übrig als: ,ich packe meinen pilgerrucksack' zu spielen. Aber über den heutigen Tag kann man eigentlich nur eines sagen: es ging steil nach oben.

 

La Laguna - Triacastela (23 km)

 

Die Hälfte in doppelter Hinsicht

Den Tag haben wir heute mit einem spanischen Frühstück beim Sonnenaufgang begonnen. Dann ging es mit der gleichen Steigung,  wie es gestern aufgehört hatte, heute Morgen weiter bergauf. Die Sicht war klar und wunderschön. Leider auch kalt. Nach ein paar Kilometern kamen wir nach O’Cebreiro. Ein sehr schönes Dörfchen. Dort wollten wir eigentlich nach alter Planung übernachten. In der Kirche haben wir unsere Andacht nachgeholt. Nach ein bisschen Weg kamen wir an eine vollbeschriebene Steintafel, den Grenzstein.  Wir waren in Galizien angekommen. Die Landschaft war jetzt nicht mehr so gebirgig, dennoch schön. Doch nach tagelangem Laufen in derselben Botanik wünscht man sich fast ein bisschen Abwechslung. Die Abwechslung bekamen wir von einigen Hunden. Bei der nächsten Rast, an einem kleinen Imbiss, lernten wir sie kennen. 3 Hunde mit Stimmungsschwankungen.  Mal mochten sie sich, mal nicht. Während sie sich beäugten, erholten wir uns, denn wir hatten die Hälfte unserer Strecke geschafft. Die vom Tag und die insgesamt. Nur noch weniger als 150km trennen uns von Santiago de Compostella. Auch von unseren Lauftagen ist die Hälfte schon rum. Mit neuer Energie brachen wir auf. Einer der Hunde begleitete uns bis zur nächsten Pause, lief zwischen uns her und freute sich. Auch andere Pilger hatten das Vergnügen, Stöcke werfen zu dürfen. Im nächsten Dorf fand er dann Freunde und blieb dort. Auch wir waren fast da. Bergab unterhielten wir uns mit einem Österreicher und einem Schweizer, der sozusagen vor seiner Haustür losgelaufen ist. Am 17. Juni in der Schweiz. Und in 5 Tagen will er in Santiago ankommen. Er ist 69 Jahre alt! Das können wir natürlich nicht toppen. Trotzdem sind wir froh, dass wir keine 30km mehr laufen. Wir genießen die Landschaft, die gute Luft und ein deutsches Restaurant. Die Sonne wärmt uns den Rücken und wir sind froh, hier zu sein.

 

Triacastela - Sarria (25 km)

 

Über den Wolken

Dunkel war’s, das Licht schien nicht, eisig kalt, drauf war ‘n wir nicht erpicht…

So sind wir heute Morgen aufgestanden und hatten unsere Sachen zusammengepackt. In demselben Restaurant, in dem wir gestern zu Abend gegessen hatten, frühstückten wir heute Morgen. Die Handgriffe und das Essen waren uns schon bekannt. Es ist kaum zu glauben, dass wir schon so lange auf dem Camino unterwegs sind. Auch heute trafen wir wieder Pilgerer, denen wir den ganzen Weg über oft begegnen. Mit ihnen reden und lachen wir. Nach den ersten steilen Kilometern war die erste Pause wieder eine kleine Singrunde. Allerdings ohne Andacht, weil ein paar nicht da waren. Sie hatten die Abzweigung zur Kirche verpasst und warteten auf dem nächsten Berg. Die Aussicht war heute etwas begrenzt, weil wir über den Wolken liefen. Ein zuckerwattenweißer Schleier lag zauberhaft über dem Tal. Da wir erst auf den Berg raufliefen und dort oben blieben, war es angenehm zu laufen. Gegen Mittag kamen wir dann in die Wolken rein. Man hat die Leute 70 Meter vor einem nur noch schemenhaft erkannt. Erst als wir aus dem Wolkenschleier raus kamen, machten wir die nächste Pause an einem Cafè. Dort haben Einige echte spanische Tortilla gegessen. In der Pause merkten wir auch, wie warm es geworden war. Ungefähr 25 Grad wurden es. Am Morgen hatten wir 9Grad. Beim Weiterlaufen begegneten wir verwunschenen Wegen und tollen Bäumen. Angekommen in Sarria staunten wir nicht schlecht über unsere überaus noble Unterkunft. Mit Garten und Sonnenliegen. Auf die stürzten sich natürlich gleich alle. Nach ausgiebigem Sonnenbaden in der spanischen Sonne, mussten wir feststellen, dass ja Samstag ist und wir zum nächsten offenen Supermarkt weit  laufen mussten. Das Abendessen und das Frühstück mussten wir selber besorgen. Es gab Nudeln. Selbst gemachte schmecken doch eindeutig besser als das Pilgeressen. Mit vollen Melonen und Nudelbäuchen sehnen wir uns in die Sonne zurück, die inzwischen hinter den Häusern verschwunden ist. Diese Momente sind unvergesslich.

 

Sarria - Portomarin (22 km)

 

Märchenwälder und Pseudo-Pilger

Mit einem selbst gemachten Frühstück ging der Tag heute gleich gut los. Als wir aus der Stadt raus waren, haben wir im Kloster unsere Morgenandacht nachgeholt. Einiger trauten sich schon in kurzer Hose hinaus. Bei ca. 10Grad ein gewagtes Unterfangen. Doch wenn man bedenkt, dass wir wieder gleich bergauf gingen, kann man das verstehen. Im Wald entdeckten wir schöne, alte Bäume und der Lichteinfall und die herrlich grüne Farbe war einfach märchenhaft schön. Mitten in einem Märchenwald trafen wir auf eine „Pilgerauftankstelle“. Wo es Saft und Bananen gab. Diese Selbstlosigkeit lockt immer ein Lächeln auf die Lippen und gibt Kraft für den Weg. Doc h mit der Selbstlosigkeit auf den Wegen war es dann gefühlt vorbei. Als wir am sehr warmen Nachmittag auf die ersten „Pseudo-Pilger“ treffen, kommen uns Zweifel. Natürlich ist es toll. Dass Leute, die untrainiert sind und keine Zeit haben, den Camino zu gehen, die Chance haben, es trotzdem zu tun. Doch nachdem wir schon 200km im Gepäck und als Gruppe gelaufen sind, kommt es uns wie ein Geschäft vor. Das Gefühl, dass die Leute unseren Freund, den Jakobsweg, kaufen. Was man nicht kann. Und als wir dann Leuten begegnen, die sich mitten auf den Weg stellen (so, dass man sie nicht umgehen kann) und eine Unterschrift aufzwängen, sind wir am Boden zerstört. Dieser Weg, der uns schon so lange begleitet, zu einem Marketing-Fleck zu machen, ist für uns unvorstellbar. Doch als wir dem „100km bis Santiago“-Wegstein begegnen, was das für einen Augenblick vergessen. Jetzt sind wir vom dreistelligen in den zweistelligen Zahlenbereich gewechselt. Dann lief sich der Weg unter unseren Füßen weg. Jetzt freuen wir uns auf unseren wohlverdienten Ruhetag in Portomarin.

 

21.09. Ruhetag

 

Portomarin - Palas del Rei (24 km)

 

Hetz mich nicht...

 ...ich bin beim Pilgern und nicht auf der Flucht. So fühlten wir uns heute den ganzen Tag. Es fing an mit einem sehr chaotischem Frühstück. Quer durcheinander wurden die Sachen aufgetragen. Mal eben dann halt kein Brot. Oder so. Aber satt wurden wir am Ende doch irgendwie alle. Schon seit früh morgens konnte man einen stetigen Pilgerstrom durch Portomarin beobachten. Als wir dann losgingen, fühlten wir uns überrollt von der Masse. Hunderte von Touristen-Pilgern mit winzigen Taschen (das große Gepäck wurde mit dem Taxi transportiert) liefen den Camino. Alle paar Kilometer hält ein Versorgungsauto und wer nicht mehr kann, steigt in den Bus. Natürlich ist es toll, wenn ältere Menschen, die nicht mehr die Kraft haben, sowas machen können. Und in gewisser Weise sind wir auch Touristen, doch man fühlt sich etwas befremdet. Leider gibt es ein, Wettrennen’ zwischen den Gruppen. Man läuft schneller, weil man die vor einem überholen will. Autobahnprinzip. Davor ist es immer leerer (also, denkt man. Ist es aber nicht) Die Masse zieht einen. Erst nach einer Andacht vor einer geschlossenen Kirche, konnten wir unsere eigenes Tempo laufen. Selber bestimmen wie man läuft. Auch nach einer Mittagspause schafften wir es noch. Wiegesagt, wir lassen uns nicht hetzten. Als dann der Nieselregen einsetzte, hatten wir die Strecke fast komplett für uns. Wir fühlten uns fast wir vor ein paar Tagen. Nur die Landschaft spielte nicht ganz mit. An der Straße lang. Mit einer Andacht in einer Andacht in, einer endlich offenen Kirche haben wir unseren Tag abgeschlossen. Mit einer neuen, wichtigen Erfahrung. Sich niemals hetzen lassen.

 

Palas del Rei - Ribadiso de Baixo (25 km)

Pilger sind wie Kühe
Das Frühstück heute Morgen war lecker, aber dürftig. Von einem Croissant wird eben nicht jeder satt. Der Pilgerstrom ging heute weiter. Allerdings nicht in dem Umfang von gestern. Die Leute waren mehr auf der Strecke verteilt. Es war entspannter. Unsere Morgenandacht feierten wir (mal wieder) vor einer geschlossenen Kirche. Trotzdem macht es Spaß. Das erste Mal auf unserer Pilgertour machten wir eine richtig, richtig große Frühstückspause mit dem Spiel ‚Werwolf‘. Da nicht alle die Chance hatten, gestern einzukaufen, wurde heute gemeinschaftlich geteilt. Nach einer Weile Laufen kamen wir vor einer großen Stadt an einem Stand mit Wachs-Siegel-Pilger-Stempel. Weil wir durch die Stadt durch mussten, nutzten wir die offene Kirche und Kathedrale aus. Mit ein paar Liedern, Kirchenanalysen und netten Bekanntschaften machten wir uns wieder auf den Weg. Vorbei an blumenbewachsenen Straßen, Kirchen und Pilgern. Das Wetter machte super mit. Sonne und ab und zu ein kühles Lüftchen. Vor der nächsten Pause begegneten wir einer Herde von Kühen, die zur Weide getrieben wurde. Das ist hier ja nicht unüblich. Als wir uns erst links vorbei, dann rechts vorbei und danach einfach durch die Mitte schlängelten, merkten wir, wie die Autos sich wohl fühlen mussten, wenn sie durch eine Gruppe Pilger fuhren. Pilger stehen rechts, andere links und einige bleiben mitten auf der Straße stehen. Genau wie Kühe. Die bewegen sich auch erst, wenn man sie antippt oder anbrüllt. Unverwechselbar wie Pilger. Nur einen Unterschied gibt es dann doch: wir lassen unsere Scheiße nicht einfach auf die Straße fallen.
An einer Kirche am Camino hielten wir an und machten Andacht. Danach liefen wir bis zu unserem heutigen Ziel: Ribadiso. Über eine kleine Brücke zu unserem niedlichen Dorf. Am Fluss konnten wir super Füße kühlen. Noch 40 Kilometer…

 

Ribadiso de Baixo - O Emplame (19 km)

Man ist nie zu alt zum Pilgern

Dieser Donnerstag war ein denkwürdiger Tag. Unser Mitpilger Friedemann wurde heute nämlich 17 Jahre alt. Zum Frühstück wurde dann von uns auf deutsch gesungen, als wir fertig waren stimmten andere Gäste auf spanisch Happy Birthday an. Nach einem ausgiebigen Frühstück machten wir uns auf den Weg zum letzten Zwischenziel vor Santiago - O Emplame. 19 Kilometer standen auf dem Zettel. Bei einem Café legten wir unsere Mittagspause ein, knapp die Hälfte war geschafft. Wir spielten Spiele wie Skat oder Werwolf. Gegen 13 Uhr ging es weiter. In der Hitze schwitzte man fast schon ohne sich zu bewegen. Glücklicherweise liefen wir weite Teile der Strecke im Schatten - leider auch viel auf asphaltierter Straße. Die Massen an Pilgern der Vortage waren heute kaum zu erkennen und das obwohl der Camino Primitivo und der Camino Norte zu unserer Strecke dazustießen. Wir liefen heute weiter, als wir ursprünglich dachten. Statt 19 liefen wir 23 Kilometer nach Pedrouzo. Dort nutzten einige von uns die vorhandene Sauna, was merkwürdig aufgrund der Hitze draußen war. In der Zeit kaufte ein anderer Teil ein und kochte das Abendessen. Ein altbekanntes Pilgerfeeling kam damit kurz vor Ende dieser Tour wieder auf. Noch knapp 20 Kilometer bis Santiago. Ultreia und auf Friedemann!

 

O Emplame - Santiago de Compostela (22 km)

Der letzte Lauftag begann heute mit einem sehr vorzüglichem, selbstgemachtem Frühstück. Gut gestärkt ging es erstmal zur Kirche, wo wir mit ein paar Spielen in den Tag starteten. Das laufen zog sich heute ziemlich. Die Aussicht auf Santiago und nur ca. 17km machten uns ungeduldig. Obwohl der Weg sehr schön war, wurden heute eher Spiele beim Laufen gespielt. Für einen kuriosen Moment zwischendurch sorgte ein Spanier, der in alter Kutte verkleidet mitten auf dem Weg an einem schönen Wegweiser stand und versuchte, uns per Fotos Geld aus der Tasche zu locken, doch wir verstanden ihn nicht. Danach ging es lockerer weiter. Eher an der Straße lang, genossen wir den Weg. Unsere letzte Zeit auf dem camino. Ziemilch viele Gruppenfotos sind heute entstanden. Mit dem Lied: 'Kannibalen in zivil' sind wir in Santiago de Compostela eingezogen. Glückliche Gesichter wo man hinblickt. Doch nach dem Gruppenfoto am Ortseingangschild ging es erstmal noch ein paar Kilometer durch die nicht so schöne Vorstadt. Erst zu unserer Herberge, die wir gestern noch organisiert hatten. Und dann zu Kathedrale. Ein Anblick. Erst als wir vor und in der Kathedrale standen, hatten wir das Gefühl, richtig anzukommen. Jubelnd sind wir uns um den Hals gefallen. Manche von uns können es trotzdem noch nicht glauben. Uns gehörte die Welt in diesen Minuten. Hier zu sein. Das ist das Größte. In der Kathedrale haben wir gesungen. Einige von uns haben heute schon die Pilgerurkunde bekommen. Unsere lateinischen Namen stehen darauf. Interessant wie manche heißen. Beim Abendbrot kam eines raus: Ein hoch auf uns!

 

Fahrt nach Finisterre an die Atlantikküste

 

Das Ende der Welt
Es ist so nah
Das Ende der Welt
Kap Finisterra

Schroffe Felsen in grau da droben
Es schäumt die Gischt
Das Blau am Boden
Im Nebel verwischt

Der Weg führt hinein
Ins unbekannte Land
Der Weg sollt dort sein
Doch alles verschwand
Weiter hinein

Wo Möwen Wege ziehen
Und Menschen oben stehen
Wo man das Rauschen hört
Und niemand sich daran stört
Dort ist es wahrlich vorbei

Das Ende der Welt
Es ist nun da
Das Ende der Welt
Kap Finisterra

©Corvin Drößler

 

27.09. Rückflug nach Berlin